So schnell kann es gehen. Kaum ist das eine Spiel mit Warhammer-Lizenz rezensiert, da liegt auch schon das nächste auf der Festplatte. Für uns ist es das nunmehr dritte Videospiel aus den vielen Welten des britischen Tabletop-Herstellers Games Workshop, das wir innerhalb von etwas mehr als einem Jahr testen dürfen.
Nachdem uns der Shooter „Darktide“ Ende 2022 tendenziell gut gefallen hat (dort gibts aber nach wie vor große Probleme im Gameplay) und uns das Echtzeitstrategiespiel „Realms of Ruin“ nicht so sehr abgeholt hat, hoffen wir nun auf den jüngsten Titel – immerhin sind aller guten Dinge drei.
Auch wenn es „Warhammer 40.000: Rogue Trader“ schwer haben könnte. Denn immerhin ist mit „Baldurs Gate III“ im starken Spielejahrgang 2023 bereits ein außergewöhnlich gutes und vor allem wegweisendes Rollenspiel erschienen. Kann „Rogue Trader“ den Primus vom Thron stürzen?
Düstere Zukunft
„Warhammer 40.000: Rogue Trader“ spielt in einer dystopischen Welt, in der sich die Menschheit ständigen Gefahren ausgesetzt sieht. Das können feindlich gesinnte Alienvölker oder die vier Chaosgötter sein, die einem nach dem Leben trachten. Oder das eigene Imperium der Menschheit, das sich in seinem Glauben an den unfehlbaren Gott-Imperator zu einem faschistischen Überwachungsstaat entwickelt hat. Argwohn und Misstrauen herrschen vor – ganz zu schweigen von den zum Teil katastrophalen Lebensbedingungen, die für die meisten Menschen im 41. Jahrtausend vorherrschen.
Genau das richtige Szenario für ein Rollenspiel, dachte sich wohl Owlcat Games. Das zypriotische Entwicklerstudio hat sich in der jüngeren Vergangenheit bereits mit „Pathfinder: Kingmaker“ und „Pathfinder: Wrath of the Righteous“, zwei Spielen basierend auf dem Dungeons&Dragons-Regelwerk, einen Namen gemacht. Gute Voraussetzungen also, sich nun an das gleichnamige Warhammer-Rollenspielsystem zu machen, das seit 2009 von Fantasy Flight Games vertrieben wird.
Lebenslauf mit Bild
Wie in anderen Rollenspielen auch steht am Anfang die Charaktererstellung. Die dauert gut und gerne eine halbe Stunde. Wir legen nicht nur das Aussehen, die Klasse und Attribute unserer Spielfigur fest. Auch ein (hoffentlich) stimmiger Hintergrund wird von uns erschaffen. Entscheiden wir uns etwa, der Bewohner einer lebensfeindlichen Todeswelt zu sein, sind wir zwar stärker und beweglicher, erhalten aber Abzüge bei der Intelligenz. Auch unser Ursprung ist wichtig. Sind wir ein Adliger, der in Saus und Braus aufgewachsen ist und auf den niederen Pöbel herabblickt? Oder sind wir ein Soldat der imperialen Garde, der tagtäglich gegen die Feinde des Gott-Imperators gekämpft hat?
Alle diese Entscheidungen haben unmittelbaren Einfluss auf das Spiel, beeinflussen etwa unsere möglichen Antwortoptionen in Dialogen. Natürlich hat auch die Wahl unserer Klasse, der sogenannten Doktrin, erheblichen Einfluss auf unseren Spielstil. Während der Krieger der klassische Nahkämpfer ist, handelt es sich bei dem Soldaten um einen schlagkräftigen Fernkämpfer.
Agenten sind am ehesten noch mit Magiern zu vergleichen, die als Tech-Priester Maschinen beherrschen oder als Psioniker mächtige Angriffe wirken können. Offiziere warten zu guter Letzt mit starken Unterstützungsfähigkeiten auf, verbessern die Kampffähigkeiten ihrer Verbündeten, damit diese besser auf dem Schlachtfeld werden. Die vier Hauptklassen unterteilen sich später in sechs Unterklassen, die ihren Fokus auf unterschiedliche Bereiche der jeweiligen Doktrin legen.
Ein anderer wichtiger Faktor ist zudem der von uns gewählte Schwierigkeitsgrad. Insgesamt stehen uns sechs zur Verfügung. Während der Geschichtsmodus uns eher die Story genießen lässt, verlangt uns der Unfairmodus, wie der Name vermuten lässt, bedeutend mehr ab, etwa, weil feindliche Einheiten unseren Angriffen nun deutlich öfter ausweichen können.
Haben wir dann unseren Charakter erstellt, wirft uns das Spiel auch ziemlich schnell ins Getümmel – ohne dass wir am Anfang eigentlich so richtig wissen, worum es geht. Wir starten an Bord eines imperialen Raumschiffes und sind der potenzielle Erbe einer einflussreichen Freihändlerin (engl.: „Rogue Trader“). Das sind besonders mächtige Kaufleute, die als einzige im gesamten Imperium das Privileg besitzen, Handel mit außerirdischen Spezies zu treiben. Doch bevor wir in die Geheimnisse des intergalaktischen Import-Export-Gewerbes eingeführt werden, bricht auf dem Schiff das blanke Chaos aus. Angriffe von außen und innen stürzen den Kreuzer und seine Besatzung fast ins Verderben.
Zwar können wir das Schlimmste gerade so noch verhindern. Doch in dem Durcheinander stirbt die alte Freihändlerin unter mysteriösen Umständen. Wir übernehmen gezwungenermaßen kurzerhand die Geschicke des Schiffs, erkunden mit unserer Gruppe von bis zu sechs Charakteren den galaktischen Raum und schlagen uns durch rundenbasierte Taktikkämpfe. Ganz nebenbei versuchen wir in etlichen Dialogen zu ergründen, in was wir eigentlich hineingeraten sind.
Mehr als nur ein Rollenspiel
Nach knapp 20 Stunden Spielzeit haben wir gerade einmal an der Oberfläche gekratzt. Aber schon jetzt können wir sagen: der Umfang von „Warhammer 40.000: Rogue Trader“ ist riesig. Gut und gerne können wir 100 Stunden im Dienste des Gott-Imperators verbringen. Oder uns gegen ihn stellen. Wir können als glühender Verteidiger des Imperiums das Chaos bekämpfen oder uns eben auf dessen Seite schlagen. Wir können uns mit unserer Gruppe ein Gefecht mit über zwei Dutzend Feinden liefern oder die Gegner mit einer List auf einen Schlag ausschalten. Kurzum: das Spiel lässt uns viele Freiheiten, wie wir es angehen – ganz so, wie wir es von einem guten Rollenspiel mit einer Open-World auch erwarten.
Das hängt auch mit den drei verfügbaren Moralpfaden zusammen, von denen wir mindestens einen einschlagen müssen. Diese bestimmen nicht nur unsere Entscheidungsmöglichkeiten im Spielverlauf, sondern geben uns auch Boni, die uns vor allem in den Kämpfen helfen.
Die sind eine angenehme Herausforderung bei „Warhammer 40.000: Rogue Trader“. In den rundenbasierten Gefechten mit allerlei Feinden müssen wir die Talente unserer Mitstreiter gut kombinieren, um zu siegen. Und diese Talente müssen bei einem etwaigen Levelaufstieg dann mitbedacht werden. Darüber hinaus sollten wir auch unser Schiff ausbauen, denn in den Weiten der sogenannten Koronus-Ausdehnung, einem entlegenen Abschnitt der Galaxie, wimmelt es nur so von Piraten, die uns in Raumschlachten verwickeln können.
Dazu gesellt sich ein kleiner Wirtschaftspart, in dem wir mit anderen Fraktionen Handel treiben, Ressourcen beschaffen und Kolonien verwalten. „Warhammer 40.000: Rogue Trader“ ist also nicht „nur“ ein Rollenspiel, sondern bedient sich noch bei anderen Genres, ähnlich wie das bei „Pathfinder: Kingmaker“ vom gleichen Studio bereits der Fall gewesen ist.
Von Anfang an mit Tempo unterwegs
Was uns ebenfalls gut gefallen hat, ist das Tempo. Das Spiel nimmt bereits von Anfang an richtig an Fahrt auf. Ohne großes Vorgeplänkel geht es rasch richtig zur Sache, wir werden in die ersten Kämpfe verwickelt und lernen innerhalb der ersten Spielstunden Gefährtinnen und Gefährten für unsere Heldengruppe kennen.
Die ersten Stunden dienen dabei gleichsam als Tutorial. Wichtige Mechaniken des Spiels werden in kleinen Textfenstern erklärt. Und wenn sich ein neuer Charakter unserer Gruppe anschließt, wird erläutert, worin dessen Stärken liegen. Das finden wir gut gelöst.
Grafisch wäre vielleicht etwas mehr bei „Warhammer 40.000: Rogue Trader“ drin gewesen. Zwar sind die einzelnen Level stimmungsvoll gestaltet und in Szene gesetzt. Doch vor allem bei wichtigen Szenen bleibt das Game in der Spielgrafik, zeigt das Geschehen aus der Iso-Perspektive und verzichtet etwa auf Rendersequenzen. Dadurch verschenkt der Titel einiges an Atmosphäre. Es macht aus unserer Sicht schon etwas her, ob ein Bösewicht nur in einem Textfenster mitteilt, einen Planeten gleich in die Luft zu sprengen oder ob diese Szene dann auch in einer eigens dafür programmierten Sequenz audiovisuell möglichst bombastisch dargestellt wird.
Kein Spiel für Deutschlehrer
Zudem ist „Warhammer 40.000: Rogue Trader“ generell eines: sehr textlastig. Es gilt nicht nur, die Hinweise und Tipps während des Tutorials zu lesen, die nach Bedarf auch abgeschaltet werden können. Auch die Dialoge kommen mit einer Fülle an Optionen daher. Und da wir wirklich alles wissen wollen, fühlt sich so manches Gespräch länger an, als die Kämpfe oder das Erkunden der Umgebung.
Grundsätzlich haben wir damit kein Problem. Allerdings sind viele Texte noch fehlerhaft. Diese Rechtschreibfehler haben uns immer aus dem Spiel gerissen – eben weil das geschriebene Wort eine so wichtige Rolle in diesem Game spielt. Es hätte sicherlich nicht geschadet, wenn hier noch ein paar Stunden mehr in die Entwicklungszeit gesteckt worden wären.
Doch nicht nur bei den Texten hätte es offenbar mehr Zeit gebraucht. So gibt es auf Steam einige Berichte darüber, dass vor allem in der zweiten Spielhälfte vermehrt Bugs auftreten, die den Titel bisweilen unspielbar machen. Ähnliche Bewertungen fasst die Internetseite metacritic.com zusammen. Und auch das große Computerspielemagazin „Gamestar“ wertete das Game aufgrund dieser Bugs in seinem Test deutlich ab. In unserem Test hatten wir (bislang) allerdings noch keine Probleme.
Fazit
Nein, „Warhammer 40.000: Rogue Trader“ wird „Baldurs Gate III“ nicht vom Thron herunterstoßen. Dafür ist das Abenteuer in der fernen Zukunft alleine grafisch zu schwach auf der Brust. Die vorliegende Unity-Engine kann schlichtweg nicht mit der Divinity Engine 4.0 von Larian Studios mithalten.
Aber: Glaubwürdige Charaktere, eine interessante Geschichte und viele abwechslungsreiche Nebenquests sorgen dafür, dass sich das Sci-Fi-Rollenspiel von Owlcat Games keineswegs verstecken muss. Wer Nachschub an guter Rollenspielunterhaltung benötigt und auf der Suche nach neuen Abenteuern ist, der muss bei „Warhammer 40.000: Rogue Trader“ definitiv zugreifen.
„Warhammer 40.000: Rogue Trader“ ist erhältlich für PC, Playstation 5, sowie Xbox Series X|S und kostet ca. 50 Euro. Wir haben die PC-Version auf Steam getestet.